Was ist eine Werkausgabe und wie entsteht sie überhaupt? „Die Romane von Uwe Johnson werden bei der Werkausgabe neu herausgebracht und in historisch-textkritischen Kontext gesetzt, ebenso seine Schriften und sein umfangreicher Briefwechsel“, erklärte die Lektorin und Wissenschaftlerin Dr. Katja Leuchtenberger. Nicht nur die Entstehungsgeschichte der Werke wird beleuchtet, es wird auch gezeigt, dass Uwe Johnson seine Texte nicht druckreif zu Papier gebracht hat, sondern dass er vielmehr umgearbeitet, gestrichen, verworfen und wieder neu angesetzt hat. Grundlage für die Werkausgabe ist der Nachlass des Autors, der in der Rostocker Universitätsbibliothek aufbewahrt wird.
Die neue „Rostocker Ausgabe“ wird 22 Bände in 43 Teilbände umfassen. Vier Romane liegen bereits vor, derzeit ist Johnsons Briefwechsel mit seinen Leipziger Freunden in Vorbereitung. „An die Jahrestage haben wir uns noch gar nicht herangewagt“, so Katja Leuchtenberger. „Auch aus Zeitgründen, aber das wird natürlich auch Bestandteil der kommentierten Werkausgabe sein.“
Über die Entstehung der Werkausgabe im digitalen Format informierte Dr. Yvonne Dudzik. Diese ist parallel in Arbeit. Sie wird auf Grundlage der gedruckten Ausgabe erstellt und nach einer gewissen Zeit für jeden freizugänglich und kostenlos zur Verfügung stehen.
Die beiden Wissenschaftlerinnen gaben auch einen unterhaltsamen Einblick in den Briefwechsel Johnsons mit seinem Verleger Siegfried Unseld vom Suhrkamp Verlag. Differenzen zwischen Autor und Verleger gab es hinsichtlich der Titelgestaltung seiner Romane. Der schon damals berühmte Grafikdesigner Willy Fleckhaus arbeitete seit Ende der 1950er-Jahre für Suhrkamp. Seine Idee eines regenbogenfarbigen Reihencharakters der Suhrkamp-Taschenbücher und der schlichten einheitlichen Typografie der Buchumschläge prägt das Erscheinungsbild des Verlages bis heute. Sowohl die Titelgestaltung des Romans „Zwei Ansichten“ als auch die Erstausgabe der vierbändigen „Jahrestage“ gefielen Johnson nicht und er sparte nicht mit höflicher, aber doch herber Kritik. „Der Verlag hat in diesem Fall jedoch immer das Sagen“, so Katja Leuchtenberger. Einzusehen ist diese interessante Korrespondenz auch im Literaturhaus "Uwe Johnson".
Im Anschluss an den Vortrag entspann sich noch ein reger Gedankenaustausch und eine lebendige Frage-Antwort-Runde zwischen den beiden Damen und dem Publikum.
Die Uwe Johnson‐Werkausgabe, kurz: Rostocker Ausgabe, ist ein Akademievorhaben der Berlin‐Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften an der Universität Rostock. Yvonne Dudzik ist wissenschaftliche Mitarbeiterin, Katja Leuchtenberger stellvertretende Leiterin der Arbeitsstelle Uwe Johnson‐Werkausgabe.
Eine Veranstaltung des Literaturhauses „Uwe Johnson“ und seines Fördervereins anlässlich des 89. Geburtstages von Uwe Johnson. Mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse Mecklenburg-Nordwest.
Fotos: Barbara Stierand